Seit Jahren sprießen Agenturen wie Pilze aus den Boden, die sich gegenseitig mit der Menge an errungenen Auszeichnungen zu übertrumpfen versuchen. Auch auf Unternehmensseite findet man häufig hervorragend ausgebildete Marketer und Experten, die ihre Marke leben und lieben. Wo es jedoch trotz all der gebündelten Kommunikations-Expertise immer wieder zu Reibungen kommt, ist die konkrete Zusammenarbeit zwischen Agentur und Unternehmen. Wie also können diese vermieden werden? Und ist der Kunde immer König, oder ist ein sanfter Schubs in die richtige Richtung die Pflicht guter Berater*innen? Eine kritische Selbstanalyse.
Wenn es anders kommt als geplant, hilft ein Blick über den Tellerrand
Vor meiner Tätigkeit bei ORCA van Loon stand ich einige Jahre selbst auf der „anderen“ Seite: Auf Kundenseite. Projekte mussten prinzipiell schnell umgesetzt werden und Angebote dabei ausnahmslos möglichst kostengünstig sein. Zugegeben, oftmals war ich kein guter Kunde und von meinen Entschuldigungs-Mails für Änderungen in letzter Sekunde konnten sich unsere Agenturen vermutlich Wände tapezieren. Doch der entscheidende Grund, weshalb wir dennoch immer wieder unbelastet hervorragende Projekte gemeinsam realisieren konnten (und sie meine Nummer trotz allem nicht blockiert haben), war der stets verständnisvolle und menschliche Umgang mit der jeweils anderen Situation:
Wankelmütigkeit und kurzfristig abgelehnte Angebote von Unternehmensseite aus, sind nicht nur unprofessionell, sondern tun dem gegenseitigen Vertrauen einen großen Abbruch. Wer von seiner Agentur Zuverlässigkeit erwartet, sollte diese immerhin auch selbst entgegenbringen. Dennoch kommt es immer wieder aufgrund ungeklärter interner Verhältnisse oder Zielsetzungen zu Absagen eines vermeintlich positiv aufgefassten Angebots. Teilweise müssen sogar bereits zugesagte Projekte kurzfristig aufgeschoben werden. Dass das für Agenturen nicht nur ärgerlich, sondern gleichzeitig frustrierend ist, ist verständlich. Gerade dann jedoch hebt sich eine gute Agentur durch partnerschaftliches, faires Verhalten ab, auch wenn diese Partnerschaft vielleicht erst in Zukunft (wieder) Früchte tragen wird. Denn hinter jeder Absage einer PR-Chefin oder eines Vorstands steckt oft keine schlechte Leistung der Agentur, sondern ein Mensch, der die Entscheidung weiterer Menschen mittragen muss. Neben den rein monetären Aspekten geht es dabei immer auch um die Gesamtreputation des Unternehmens und – nicht zu unterschätzen – oft um interne Politik. Wird eine Absage jedoch mit Fassung und Respekt, bestenfalls sogar mit Verständnis quittiert, erweist sich eine Agentur als wirklicher Partner auf Augenhöhe und weckt daher Potential auf zukünftige Projekte – oder Weiterempfehlungen an andere Unternehmen.
Kund*innen kennen selten die Arbeitsweise und den Aufwand der Agenturen. „Transparenz“ ist hier das Zauberwort.
Grundsätzlich ist der gegenseitige Respekt die absolute Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Weder ist eine Agentur „nur“ ein Dienstleister, noch ist ein*e Kund*in „nur“ Geldgeber*in. Gute Agenturen sehen es als Teil des eigenen Selbstverständnisses, für Kund*innen den maximalen Erfolg zu generieren. Ebenso wichtig ist es jedoch, Kund*innen die Hintergründe und Arbeitsweisen transparent zu kommunizieren. Die Basis guter Beratung besteht daher daraus, die Sprache der Kund*innen zu erkennen und zu sprechen. Das beinhaltet auch, ihnen agenturspezifische Arbeitsabläufe und Mechanismen zu erläutern, die den Beratenden womöglich vollkommen selbstverständlich erscheinen. Auch den tatsächlichen Aufwand einzelner Aufträge mundgerecht zu verdeutlichen, hat schon so manches Verständnis füreinander geschärft.
Oft habe ich unseren Grafiker um eine vermeintlich „minimale“ Änderung gebeten, deren Umsetzung jedoch Tage auf sich warten ließ. Stillschweigend und zunehmend ungeduldig wartete ich auf die Umsetzung und besänftigte das eigene Team, um schlussendlich die Antwort zu erhalten, dass er für eine derartige Änderung einige Stunden Zeit bräuchte, die er aktuell nicht habe. Eine Erläuterung, welcher Aufwand aufgrund technischer Besonderheiten womöglich hinter meinem Anliegen steckte, hätte in diesem Fall von Anfang an Klarheit geschaffen. Schlussendlich haben wir noch immer alle Projekte erfolgreich beendet und konnten uns gemeinsam über die Resultate freuen. Doch das ein oder andere graue Haar hätte sich womöglich einsparen lassen – auf beiden Seiten.
Eine Partnerschaft braucht Regeln: Klare Bedingungen von Anfang an beugen Differenzen vor
Hier helfen nur klare Absprachen bereits zu Beginn und eine gründliche Dokumentation des gesamten Prozesses: Ohne eine klar definierte Aufgabenstellung und ein konkretes Ziel sind Frust und Enttäuschung vorprogrammiert. Manche Ziele erscheinen den einen oder anderen Klient*innen zwar zunächst klar („Wir möchten positiver von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden“), werfen bei Beratenden aber sofort Fragen auf. Ist die Zielvorgabe überhaupt mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen erreichbar? Entspricht sie den Unternehmenswerten – auch in Zukunft? Durch einen rechtzeitigen, mitunter kritischen Austausch lässt sich hier bereits Sand entfernen, der sonst zukünftig im Getriebe knirschen könnte. Absolute Ehrlichkeit ist hier gefragt – und das ist keine Einbahnstraße.
Nicht jeder Ratschlag ist ein Schlag: Beratung ist ein Austausch auf Augenhöhe.
Joseph-Louis de Lagrange, seinerzeit Mathematiker und Astronom des 18. Jahrhunderts, beschreibt mit seinem Satz „Wer um Rat bittet, sucht fast immer einen Komplizen“ (leider) sehr genau die Erwartungshaltung vieler Kunden. Die Agentur soll das vorhandene Problem unter Berücksichtigung aller Herausforderungen zu möglichst günstigen Konditionen lösen, bestenfalls mit möglichst geringem Eigeneinsatz. Dass das nicht funktionieren kann, ist selbstverständlich. Zumindest auf Agentur-Seite.
Als Kundin hatte ich jedoch zu Beginn eine ähnliche Erwartungshaltung. Oft aufgrund vieler weiterer eigener Projekte, die ebenfalls parallel und schnellstmöglich umgesetzt werden mussten. Die Agentur war dann eher mein verlängerter Arm, als mein Partner. Daher bin ich heute umso dankbarer, dass mein damaliger Berater meinen Horizont erweitert hat. Statt des gewohnt knappen und faktenlastigen Briefings, bestand er auf ein gemeinsames Brainstorming vor Ort, von Angesicht zu Angesicht. Einige Stunden warfen wir uns gegenseitig Stichworte, Gedankenfetzen und neue Zielgruppen zu und im Zusammenspiel entstand eines unserer besten Projekte – auch, wenn es anfangs ganz anders angesetzt war. Mit der gründlichen Einbindung in alle darauf folgenden Projektprozesse hatte ich darüber hinaus immer das Gefühl, ernstgenommen zu werden und wusste, dass meine Agentur das Maximum aus dem Projekt holte. Auch, wenn das vielleicht hieß, dass ich meine ersten Ansätze noch einmal überdenken musste.
Mitgenommen habe ich dadurch vor allem Eines: Kommunikation folgt keinem Konzept, sondern einer Dynamik. Es gibt kein allgemeingültiges Rezept für erfolgreiche PR, aber es gibt gute Berater*innen, die die richtigen Zutaten dafür kennen. Ohne partnerschaftliche Basis und einen gelungenen Austausch führt das jedoch zum gleichen Ergebnis wie Backen ohne Ofen: Zu Brei ohne Form.
Welche Zutaten jeweils auf Berater*innen- und auf Kund*innenseite zu einem möglichst guten Ergebnis beitragen können, beschreibt Nils-Peter Hey in seinem Buch „Wie ich lernte, meinen Berater zu lieben“. Wirklich gute Beratung lebt jedoch darüber hinaus immer von einer individuellen Beziehung, die von Kunde zu Kunde unterschiedlich gestaltet werden kann und sollte.
Der gute Mandant (in Anlehnung an Nils-Peter Hey, „Wie ich lernte, meinen Berater zu lieben“):
- … erteilt dem Berater einen ausreichend gut umrissenen Auftrag mit definierten Aufgabenstellungen und Zielen.
- … vertraut seinem Berater und dessen Meinung und ist sich bewusst, dass die Verantwortung für das Gelingen des Projekts nicht allein beim Berater liegt.
- … stellt die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung und beteiligt sich am Projektprozess.
- … schätzt die Leistung der Agentur und zeigt Verständnis bei Nachfragen.
- … kommuniziert Änderungswünsche rechtzeitig und lässt (neue) Vorschläge zu.
Die gute Agentur (nach Nils-Peter Hey, „Wie ich lernte, meinen Berater zu lieben“):
- … verfügt über ausreichend Mitarbeiter*innen mit umfangreichem Fachwissen.
- … hat Lust auf das Projekt und arbeitet sich gründlich auch in neue Thematiken ein.
- … handelt transparent und zuverlässig.
- … ist unparteiisch und unvoreingenommen. Persönliche Interessen spielen im Projektverlauf keine Rolle.
- … ist empathisch und legt Wert auf eine Partnerschaft auf Augenhöhe.